Serie zum Bürgerbahnhof
Teil 1: Der Vorplatz und das Außengelände. Durch die Verlegung der stadtseitigen Gleise hat die Innenstadt eine Erweiterung gewonnen.
Dass der Bürgerbahnhof viel mehr ist als das Gebäude, ist vielen nicht bewusst. Tatsächlich wurde mit der der Umrüstung der Bahnstrecken auf elektronische Stellwerkstechnik der Rückbau der stadtseitigen Gleise möglich, wurde der Bahnhof ab 2015 aus seiner Insellage befreit und gewann die Dorstener Innenstadt eine beachtliche Erweiterung hinzu, die städtebaulich und funktional gestaltet werden musste. Im Gespräch erläutern Bernd Lehmann (als Abteilungsleiter im Planungs- und Umweltamt für die Planung verantwortlich) und Hubert Stenkamp (als Abteilungsleiter im Tiefbauamt der Koordinator für den Bau) die Geschichte dieses Areals und die hier verwirklichten Überlegungen.
Mit der Verlegung der Gleise begannen die konkreten Arbeiten auf dieser Fläche. Was sollte man über die Vorgeschichte wissen?
Bernd Lehmann: Schon seit Anfang der 2000er Jahre war klar, dass die stadtseitigen Gleise zurückgebaut werden können und wir eine Erweiterung der Innenstadt dazu gewinnen werden. Seitdem beschäftigen wir uns mit dem Bahnhof und der Anbindung an die Innenstadt, haben mit einem Büro aus Aachen einen Rahmenplan entwickelt, der die heutige Umsetzung schon sehr genau skizziert, den Vorplatz, den neuen Radweg, die Öffnung zur Innenstadt. Ein Investor für das Gebäude, der hier damals eine Gastronomie einrichten wollte, konnte seine Pläne trotz großen Engagements ohne Förderung allerdings nicht umsetzen, der Bahnhof fiel zurück an unsere Wirtschaftsförderung WINDOR. Wir haben uns dann um Fördergelder bemüht, konnten über die Programme „Regionale” und „BahnLandLust”, schließlich mit dem Stadterneuerungsprogramm „Wir machen MITte” eine Förderung für die grundlegende Umgestaltung und Erneuerung gewinnen.
Und dann hat sich das Areal tatsächlich recht schnell in eine Großbaustelle verwandelt . . .
Bernd Lehmann: Ja, 2015 begannen der Rückbau der Gleise und der Neubau der Bahnsteige durch die Bahn.
Hubert Stenkamp: Da standen wir in ständiger Abstimmung. Die Bahnsteige wurden ja etwas höher gebaut, um den Einstieg in die Züge barrierefrei zu gestalten. Das heißt, wir hatten plötzlich eine Kante zum eigentlichen Höhenniveau des Bahnhofsgebäudes. Natürlich wäre es schöner gewesen, wenn wir EINE Fläche gehabt hätten, aber wir konnten das Gebäude ja nicht anheben. Darum brauchten wir auf der Gleis-Seite ein paar Stufen. Um auch hier Barrierefreiheit herzustellen, haben wir eine Rampe längs der Stufen mit einem sanften Gefälle geplant.
Lässt sich die Dimension dieser Großbaustelle irgendwie in Zahlen fassen?
Hubert Stenkamp: Natürlich. Wir haben 5500 Kubikmeter Erde bewegt, 4600 Quadratmeter Fläche gepflastert, 100 Beton-Fertigteile und 200 Kubikmeter Stahlbeton verbaut. 500 laufende Meter Treppenstufen und 30 Sitzstufen benötigen 630 Meter Geländer und Handläufe.
Auf 1500 Quadratmetern Vegetationsfläche wurden 32 Obstbäume und über 14 000 Stauden gepflanzt sowie 1300 Blumenzwiebeln gesetzt, im Gelände verteilt 22 Pfeifensträucher sowie auf dem neuen Parkplatz zehn Hopfenbuchen. Die Silberlinde auf dem Vorplatz sollte auch erwähnt werden. Der größte Teil der Begrünung ist bereits hergestellt, was noch fehlt, ist die Begrünung im Bereich der Rampenanlage.
Kann man die Gestaltung eines solchen Areals eigentlich „aus einem Guss” planen?
Bernd Lehmann: Wir und das Landschaftsarchitektur-Büro Greenbox aus Köln und das Dorstener Büro Stankewitz haben laufend viel Arbeit in die Planung gesteckt und im Lauf andauernd optimiert, abgewogen, und für viele Detailfragen Lösungen entwickelt. So ein Projekt ist kein Sprint auf gerader Strecke, sondern immer ein Langlauf auf unbekanntem Terrain.
Das optische Herzstück ist sicherlich der neue Bahnhofsvorplatz . . .
Bernd Lehmann: Manche finden ihn ein wenig betonlastig, aber das Umfeld – dort, wo vorher die Schotterbetten der Gleise waren – wurde deutlich begrünt. Die Platzfläche spielt mit verschiedenen Grautönen, der frühere Gleisverlauf wird durch die Integration von Schienenstücken dokumentiert. Bei der Möblierung haben wir uns gefragt, ob der Platz auch Veranstaltungsfläche sein soll – und haben dazu schließlich nein gesagt. Darum wurden das neue Spielgerät, die Sitzbänke und die markante Baumscheibe nicht am Rand, sondern mitten auf dem Platz geplant. Für die Außengastronomie bleibt trotzdem genug und attraktiv gestalteter Raum. Der Vorplatz öffnet das Bahnhofsquartier zur Innenstadt, bietet Aufenthaltsqualität und Raum für Kommunikation.
Hubert Stenkamp: Aber letztlich steckt in diesem Projekt noch viel mehr, als dieser Platz und die Erneuerung der Bahnsteige. Ein ebenso wichtiger Bestandteil ist die komplette Erneuerung der innerstädtischen Achse zwischen der Feldmark und der Altstadt mit der Unterführung unter den Gleisen. Die frühere Führung war für Radler sehr sportlich zu fahren und es kam durch die Enge immer zu Konflikten mit Fußgängern. Jetzt trennen wir beide stärker voneinander durch die sehr weitläufigen Rampen auf beiden Seiten. Die Rampen sind wesentlich flacher und dadurch besser von behinderten oder auch alten Menschen zu bewerkstelligen. Nur der Tunnel bleibt natürlich ein Nadelöhr.
Welche Details im neuen Bahnhofsumfeld sollte man noch beachten?
Hubert Stenkamp: An der blauen Fußgängerbrücke haben wir ganz bewusst etwas Grün weggenommen. Wer auf den Bahnhof zugeht, hat dort nun eine schöne freie Sichtachse auf das liebevoll restaurierte Gebäude. Neben dem Spielgerät haben wir noch weitere Elemente, mit denen Gäste sich das Areal spielerisch erschließen können: Ein kleines Podium an der Ecke des Vorplatzes, neben der Treppe zur Unterführung gibt es für die ganz Kleinen eine Rutsche und für die Größeren zwei Baumelbänke zum Entspannen. Für die Sportlichen gibt es unweit des Vorplatzes einen Fitnesspunkt.
Das ganze Gelände ist gut ausgeleuchtet. Im Bereich des Bahnhofsvorplatzes haben wir die Beleuchtung mit der Lichtfarbe „Amber“ mit 2200 Kelvin ausgestattet. Somit achten wir hier auf Insekten und Fledermausfreundlichkeit. Die Unterführung kann illuminiert werden und über dem Graffiti, das ja erhalten bleibt, haben wir ein Lichtband eingebaut, um es besonders wirken zu lassen.
Hinter dem Media Markt sind 71 Parkplätze für Besucher des Bahnhofs entstanden und zusätzlich zu den 300 Abstellmöglichkeiten für Fahrräder in der Radstation haben wir 120 weitere Stellplätze angelegt. Wir hoffen, dass diese gut angenommen werden und die Fahrräder nicht irgendwo an Geländern oder der Beleuchtung angekettet werden.
In der Vergangenheit galt das Bahnhofsumfeld manchen als Raum, in dem man sich unwohl fühlen konnte.
Bernd Lehmann: Darum haben wir uns in der Planung auch abgestimmt mit den Experten der Polizei für Kriminalprävention. Wir haben „dunkle Ecken“ vermieden und mit den spielerischen Elementen wollen wir erreichen, dass das Areal insgesamt belebter sein wird.
Werden die noch offenen Baustellen bis zur Eröffnung noch komplett fertig?
Hubert Stenkamp: Nein, leider nicht die letzten Feinarbeiten. Auf der Zielgeraden haben uns der Dauerregen im Dezember und der Frost im Januar noch einen Streich gespielt. Ziel ist es, den Treppenturm bis zur Eröffnung abzubauen. Einige Restarbeiten, insbesondere die Gestaltung der Grünflächen, werden wir danach aber noch erledigen müssen.
Wieviel vom alten Bahnhofsumfeld ist eigentlich übriggeblieben?
Hubert Stenkamp: Fast nichts. Nur das gelungene Graffiti und ein paar Spundwände.
Bernd Lehmann: Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man bei solchen Veränderungen den früheren Urzustand vergisst. Das wird hier nicht anders sein.
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